Kreisen Hochsensible zu sehr um sich selbst?
Kürzlich wurde ein Artikel einer Kollegin über den Rückzug Hochsensibler in ihre Komfortzone heiß diskutiert. Die einen waren der Meinung, dass es diese Komfortzone unbedingt und unbegrenzt braucht, die anderen ertappten sich dabei, es sich gar zu bequem in eben dieser Rückzugszone zu machen und Gefahr zu laufen, Kontakt zur Außenwelt zu verlieren.
Wie viel Rückzug brauchst du?
Wann ist es genug und wann verkehrt sich der Schutzraum in etwas Unförderliches für dich?
Das Bedürfnis nach Rückzug und Selbstbeschau wandelt sich stetig
Ich persönlich empfinde geschützte Rückzugsräume für Hochsensible als unerlässlich. Wir brauchen unser Schneckenhaus, um regenerieren und nachverarbeiten zu können, was uns das Leben bietet bzw. aufdrängt. ;-) Und es ist eine unserer Passionen und Talente, uns selbst zu hinterfragen und zu prüfen, wie wir noch stimmiger durch unser Leben finden.
Je nach Lebensphase hatte ich ein mal mehr und mal weniger starkes Bedürfnis nach Rückzug und Selbstreflexion. In meinen Zwanzigern habe ich mir weniger Zeit zur Selbstreflexion und viel mehr Kontakt mit Gleichgesinnten gewünscht aber leider nicht gefunden.
Jetzt mit Mitte / Ende Vierzig, in einer festen Partnerschaft lebend und mit einem kleinen, feinen Freundeskreis verständnisvoller Menschen gesegnet, wünsche ich mir seltener, meine Komfortzone zu verlassen und mich ganz neu zu erleben. Dafür genieße ich jetzt jede Möglichkeit der Selbstreflexion (z.B. auch mithilfe des Bloggens und Bücherschreibens). Ohne Lebenspartner sähe das sicherlich wieder anders aus. Doch derweil bin ich einfach nur dankbar, meine Komfortzone so kuschelig eingerichtet zu haben. Denn das war langjährige Arbeit und mit viel Loslassen nicht dienlicher Überzeugungen und dem Gewinnen von Kenntnissen über mein zart starkes Dasein verbunden.
Introvertierte und extrovertierte Hochsensible haben unterschiedliche Komfortzonen
Im Austausch mit anderen Hochsensiblen stelle ich immer wieder fest, wie unterschiedlich die Bedürfnisse nach Austausch und Rückzug sein können. Extrovertierte Hochsensible nähren sich mehr vom Austausch mit anderen, introvertierte mehr von der Innenschau. Und so sehen die Komfortzonen hochsensibler Menschen unterschiedlich aus und Rückzug wird unterschiedlich intensiv genossen.
So darf es in der Komfortzone von extrovertierten Hochsensiblen lauter, bunter, quirliger und kontaktfreudiger zugehen als in der von eher introvertierten Hochsensiblen.
Wie sich deine introvertierten und extrovertierten Anteile zu einem einzigartigem Mix vereinen (denn wir tragen immer von beidem etwas in uns!), erfährst du mithilfe des kostenfreien Selbsttests zu Intro- und Extraversion.
Alte Seelen brauchen manchmal mehr Rückzug und Komfort als junge
In meinem Artikel "Was Hochsensible und Alte Seelen gemeinsam haben" habe ich bereits darüber geschrieben, dass ich viele Hochsensible als "Alte Seelen" wahrnehme. Als Seelen, die bereits öfter inkarniert sind und das Menschendasein von vielen Seiten beleuchtet und erfahren haben und nun ein wenig müde sind. Seelen, die in diesem Leben gern mit Abstand auf die Dinge blicken, sich viel mit dem Innen befassen, in Erinnerungen schwelgen, ja, ein wenig um sich selbst kreisen. So wie alte Menschen es eben manchmal tun.
Aber auch Seelen, die die Qualitäten der neuen Zeit in sich heranwachsen lassen und gebären, die Heilung anstreben und ihr gewonnenes Heilwissen weitergeben. Oftmals im Stillen und doch für das Kollektiv spürbar und sehr wertvoll.
Und dann gibt es natürlich auch Alte Seelen, die noch einmal so richtig ins Leben eintauchen und sehr präsent und sichtbar Großes bewegen. Darüber ließt du am besten in Varda Hasselmans Buch nach, aus dem ich reiche Erkenntnisse gewinnen konnte.
Und egal, ob wir uns nun als jüngere oder ältere Seele, als Seele von einem anderen Stern, aus Zeiten von Lemurien oder Atlantis oder aber als ganz "normale" Menschenseele betrachten. die Zeit für den ganz großen Auftrag, für große Projekte, ist für einige Seelen einfach nicht angezeigt. Sie brauchen Ruhe und eine gemütliche Komfortzone.
Keine Langeweile in der Komfortzone
Ja, ich verstehe es, es mir sehr gemütlich zu machen in meinem Leben. :-) Noch habe ich deshalb dann und wann ein schlechtes Gewissen. Darf es mir so gut gehen, wenn es anderen nicht gut geht? Darf ich es mir so gemütlich machen?
Ja, ich darf und ich habe wie jeder andere Mensch ein Recht darauf, glücklich zu sein. Ich darf ein "kleines", unscheinbares Leben führen, ohne viel Verantwortung für andere tragen zu müssen. Und ich darf meine Komfortzone so perfekt gestalten, wie ich es als perfektionsliebende Hochsensible mag: Mit schönen Möbeln, Bildern und Büchern, mit einem guten Bett, mit Pflanzen um mich herum und einem gut gefüllten Kühlschrank, mit wenigen, aber guten Freunden, mit einem Yoga-Onlinekurs und einem Krautgarten.
Ich muss nicht das Abenteuer suchen, denn das Abenteuer erlebe ich in mir! Täglich. Kleine Alltagsgeschehnisse halten tiefe Erkenntnisse bereit. Kurze Begegnungen schenken mir die Möglichkeit, mich selbst neu kennenzulernen und etwas über das MenschSein und die Welt zu lernen. Ein Spaziergang kann meine Sinne so sehr beanspruchen, dass ich danach tagelang mit dem Genuss von Farben und Geräuschen, von Empfundenem und Gesehenem beschäftigt bin. Ein Blick aus dem Fenster in Himmel, Baumkronen und Blumenkasten kann sich über Minuten und Stunden hinziehen, ohne langweilig zu werden.
Mir und, so habe ich es in oben genannter Diskussion herausgelesen, auch den meisten anderen Hochsensiblen wird es im Rückzug nicht langweilig. Wir bewegen ständig die Welt in uns, analysieren sie und erfinden uns und die Welt neu.
Lerne mehr über die Besonderheiten der Hochsensibilität!
Unsere vielfältigen Interessen locken uns immer wieder aus der Komfortzone hinaus
Sind Hochsensible nicht depressiv oder krank, lockt es sie dennoch dann und wann raus aus ihrer Komfortzone. Ich erlebe Hochsensible als vielseitig interessiert und neugierig. Viele von uns neigen zum Scannerdasein, was uns immer wieder danach streben lässt, Neues zu erleben und zu lernen.
Auch mich Komfortzonenkuschelmonster zieht es, meist den Jahreszeiten entsprechend, raus aus meinem Kokon. Ich wage ein Abenteuer, verlasse meine Komfortzone. Bis ich wieder satt an Eindrücken bin, die ich in mir bewegen kann. Die von besorgten Liebsten geargwöhnte mangelnde soziale Einbindung oder Teilhabe erlebe ich also nicht.
Wenn die Komfortzone vom Schutzraum zum Gefängnis wird
Dennoch können Hochsensible mangels Austausch unter Gleichgesinnten und mangels eines passenden Jobs und Freundeskreises auch sehr einsam sein.
Ständig auf der Flucht vor zu vielen Sinneseindrücken und ermüdenden Erlebnissen in Beruf und Privatleben, mögen sie sich traurig, unverstanden und unerfüllt fühlen. Sich tatsächlich erschöpft in ihrer Komfortzone verbarrikadieren und diese nicht mehr verlassen wollen.
Auch das habe ich schon selbst erlebt. Und dieses traurige Erleben hat mich gelehrt, wie wichtig es ist, meine Bedürfnisse und Besonderheiten zu kennen und zu achten, mein Leben nach ihnen auszurichten und aller Selbstzweifel zum trotz meinen Platz zu suchen und zu finden. Denn andernfalls habe ich tatsächlich an einem schmerzlichen Verlust an Teilhabe und Selbstwirksamkeit zu knabbern.
Sind wir zu wenig für andere da?
Je nach Lebensphase, Seelenauftrag und Mentalität erlebe ich Hochsensible sehr unterschiedlich. Die einen engagieren sich unermüdlich - beruflich, privat, ehrenamtlich für andere. Die anderen führen ein (in Phasen) eher ruhiges Leben. Wieder andere wechseln regelmäßig von Innen- zur Außenorientierung und zurück.
Die nächsten sind im Außen vielleicht kaum sichtbar, beschenken das kollektive Bewusstsein aber mit ihren reichen Erkenntnissen, im Stillen gewonnen. Beschenken die Welt mit einer Art stillen Freude an der Sinnenvielfalt und bereichern das Umfeld durch ihr schlichtes, liebevolles Sein und beständiges über sich selbst Hinaus- oder in sich selbst Hineinwachsen.
Auch wenn wir es uns in unserer Komfortzone bequem machen, heißt das nicht, dass wir nicht für andere da sind. Im Gegenteil, nur mithilfe unserer gut geschützten, liebevoll ausgestalteten Komfortzone können wir überhaupt für andere da sein. Und ja, es mag Phasen geben, in denen wir um uns selbst kreisen. Besonders dann, wenn wir gerade erst die Erkenntnis gewonnen haben, dass wir hochsensibel sind. Dann erfahren wir uns ja in jedem Moment neu, verstehen unsere Vergangenheit und jedes erinnerte Erleben neu, wollen uns neu ausrichten in unserem Leben. Dafür braucht es Rückzug, Schutz und Komfort.
Grundsätzlich erlebe ich Hochsensible als sehr empathisch und immer am Gedanken orientiert, wie sie ihre Talente auch für andere dienlich und verantwortungsbewusst einsetzen können. Auch wenn wir, tief verletzt, genauso um uns schlagen und ordentlich Porzellan zerschlagen können, wie andere auch. :-)
Wir inspirieren andere, mehr Zartheit und Spürigkeit zu leben
Ich glaube, wir sind sehr viel für andere da! Schon allein unser AndersSein ist Einladung an viele andere, sich zu hinterfragen oder kann Blaupause für mehr zugelassene Spürigkeit sein. Wenn wir unsere Hochsensibilität als Talent sehen und leben, sind wir entweder durch unser Tun oder durch unser Sein ein Geschenk - wie jedeR andere auch, nur eben auf eine zart starke Weise. :-)
Alles Liebe, lebe deine zarte Stärke!
Deine Inga
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