Die Sehnsucht Hochsensibler nach Achtsamkeit im Miteinander
Ein Plausch unter hochsensiblen Kollegen hat mich zu diesem Artikel veranlasst. Einem Artikel über die Sehnsucht nach mehr achtsamem Miteinander – am Arbeitsplatz, in den sozialen Netzwerken, beim Einkaufen – einfach überall. Aber ganz besonders am Arbeitsplatz, denn dort verbringen wir einen großen Teil unserer wertvollen Lebenszeit.
Einordnen statt unterordnen
Auch, wenn ich selbst bereits seit 2003 mein eigener Chef bin, kann ich mich noch gut an meine Zeit als Angestellte in einem Großunternehmen erinnern. Dort habe ich die Erfahrung gemacht, dass mir traditionelle Hierarchien und Machtstrukturen wie so vielen Hochsensiblen überhaupt nicht liegen. Dass ich mit allen KollegInnen aber auch mit allen Chefs auf Augenhöhe zusammenarbeiten will.
Meinen hochsensiblen Kollegen ging es da ganz ähnlich. Wir stellten fest, dass wir gut darin sind, uns einzuordnen, für Harmonie und Frieden im Team zu sorgen, zu vermitteln und zu moderieren.
Dass wir allerdings sehr schlecht darin sind, uns unterzuordnen, einem Vorgesetzten (was für ein interessantes Wort! :-)) blind zu folgen – nur weil er uns von höherer Stelle vor die Nase gesetzt wurde.
Für uns zählen Fachkompetenz und natürliche Autorität
Zeigt sich ein Vorgesetzter allerdings fachlich und sozial kompetent, ehrlich und authentisch, trifft er kluge Entscheidungen, dann sind wir durchaus bereit, diesen zu unterstützen. Aber bitte auf Augenhöhe! Werden wir mittels Druck zu einem bestimmten Handeln gezwungen oder verlangt ein Vorgesetzter serviles Verhalten von uns, können wir sehr bockig werden.
Gleichwertigkeit aller
Diese Wünsche nach Zusammenarbeit auf Augenhöhe, nach ethischem Wirtschaften und achtsamer Teamarbeit höre ich auch von anderen Hochsensiblen und von all meinen KundInnen. Die Vorstellung der Gleichwertigkeit aller, der Wunsch nach einem achtsamen und respektvollen Miteinander ohne Rangeleien, Spitzfindigkeiten und Mobbing scheinen in uns Hochsensiblen angelegt zu sein.
Warum uns Machtkämpfe so anstrengen
Doch allzu oft müssen wir die Erfahrung machen, dass andere Menschen eine ganz andere Sicht auf diese Dinge haben. Dass es Menschen gibt, die es lieben, ihre KollegInnen zu triezen und sie herauszufordern, weil sie sich in der Reibung mit ihrem Gegenüber erst so richtig lebendig fühlen.
Und genau an solchen Menschen beißen wir Hochsensiblen uns oftmals die Zähne aus. Denn eine Auseinandersetzung mit ihnen, das tägliche Rangeln um Grenzen und Kompetenzen, das mangelnde Einfühlungsvermögen solcher KollegInnen ist sehr anstrengend für uns.
Wollen wir solchen Menschen ihre Grenzen aufzeigen, müssen wir weit über unser Höflichkeitsverständnis hinausgehen und aus unserer Sicht unfreundlich mit diesem Menschen umgehen, damit er uns versteht. Das ist für uns nicht nur anstrengend, sondern auch aufwühlend und kann uns bis in die Nächte und über Wochen hinweg verfolgen und belasten. Während unser reibungsfreudiger Kollege beglückt von einem lebendigen Arbeitstag einen entspannten Feierabend genießt.
Bleiben und wachsen oder das Feld räumen?
Solche Kollegen können Hochsensiblen zwar dabei behilflich sein, in ihre Kraft zu kommen. Ihre eigenen Höflichkeitsgrenzen mutig zu überschreiten und deutlich für sich einzustehen.
Wird es allerdings dauerhaft zu anstrengend mit einem solchen Mitmenschen, ziehe ich es vor, meine Ressourcen zu schonen und den Platz zu räumen. Mich dorthin zu begeben, wo meine empathischen, ausgleichenden und sensitiven Fähigkeiten erkannt und wertgeschätzt werden. Auch das ist eine sehr kraftvolle Entscheidung des zu mir Stehens.
Ich bin gespannt zu lesen, wie du das siehst. Und ich wünsche dir eine Zeit ganz in deiner Kraft und den Mut, zu dir zu stehen! Bleibe dir treu, denn bist so zart stark wie bist einfach perfekt! :-)
Lebe deine zarte Stärke!
Alles Liebe, deine Inga
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Susanna Andreini (Mittwoch, 14 September 2016 11:28)
Liebe Inga,
Dein Artikel spricht mir aus der Seele! - Ich erlebe in meinem Alltag derzeit wieder viele Situationen, wo ich - oft auch sehr subtilen - Übergriffigkeiten z.b. wie dem männlichen ( unbewussten) Blick auf den weiblichen Brustbereich begegnen muss - manchmal bin ich davon dann nur noch genervt und verärgert. Übrig bleibt die Frage, was ich da eigentlich tun kann?
Denn den Verkäufer hinter der Budel an der Tankstelle, den Mann, der mir zufällig im Bus, oder auf der Straße begegnet, direkt darauf anzusprechen, oder - wie vor Jahren eine pfiffige Künstlerkollegin, sich kleine Silikonbusen auf die Stirn zu kleben - um auf dieses Thema aufmerksam zu machen -
nun, das finde ich zwar eine Super-Aktion, aber für mich nicht den Weg, der mir Freude macht und lebbar ist.
Mein Weg ist, Werte aus den matriarchalen Gesellschaften, wie die Würdigung allen Lebens und insbesondere des Weiblichen, in unserer Gesellschaft klar bewußt zu machen...
Und mir nach so einem Erlebnis halt auch manchmal zu denken:
"Ja, Boys, ich bin ja auch eine wirklich schöne Frau! :-) - trotzdem freut es mich, wenn Ihr mich nicht so anstarrt, sondern auf Augenhöhe geht ! " - Diese Art zu denken hebt interessanterweise jedesmal mein Empfinden, gut geschützt zu sein und die "Auf-den-Busen-Glotz-situationen" werden sofort weniger...
Susanna Andreini
Inga Dalhoff (Donnerstag, 15 September 2016 09:45)
Liebe Susanna,
danke dir für deinen Kommentar! So bekommt der Titel des Artikel "Aber bitte auf Augenhöhe" eine ganz andere Bedeutung. :-)
Ich wünsche dir viele inspirierende Begegnungen auf Augenhöhe.
Inga
Susanna Andreini (Donnerstag, 15 September 2016 14:20)
Danke, Inga! Die wünsch ich dir auch :-)
Susanna
Petra (Sonntag, 07 November 2021 17:36)
Genau so ist es mir auch ergangen. Konnte dieses Mobbing und diesen Umgang kaum ertragen und meine Motivation nahm rapide ab. Was mir wahrscheinlich die Kündigung einbrachte. Eine Begründung gab es nicht und ich hatte lange zu tun, dies eher als Gewinn zu sehen, als Erlösung aus diesem
anstrengenden Arbeitsumfeld. Doch leider ist es selten erwünscht, einen Empathen einzustellen.... traurig�
Inga Dalhoff (Montag, 08 November 2021 10:41)
Liebe Petra,
was für ein Geschenk, dass du deine Kündigung schlussendlich doch als einen Gewinn wahrnehmen kannst! Das finde ich auch deshalb so wundervoll, weil sich dadurch der Raum öffnet, um ein wirklich stimmiges Arbeitsumfeld zu finden, oder?
Mir hat es sehr geholfen, mir zu notieren, wie ich mich in einem für mich rundherum stimmigen Arbeitsumfeld fühlen möchte, welche Talente ich einbringen kann und möchte, welche Werte dort gelebt werden sollten, damit ich mich wohlfühle und das Gefühl habe, dass Allen gedient ist, wie die Rahmenbedingungen aussehen sollten (sprich Arbeitszeiten, Eigenständigkeit, Räumlichkeiten, etc.), damit ich in meiner vollen, authentischen Kraft sein und wirken kann.
Mit diesen Notizen im Hinterkopf auf Jobsuche oder in Bewerbungsgespräche zu gehen, finde ich sehr fruchtbar. Passen Job und Arbeitgeber, Kollegen und Ausrichtung des Unternehmens wirklich zu mir? Der Abgleich mit den Notizen macht es leichter, diese Frage zu klären. Und der Fokus auf dem, was wir wirklich möchten, lässt uns Möglichkeiten schneller erkennen oder uns offener sein für ganz neue Jobformate.
Ich halte alle Daumen, dass du den für dich passenden Arbeitsbereich zum für dich stimmigen Zeitpunkt findest.
Alles Liebe, deine Inga
Katja (Sonntag, 09 Januar 2022 17:00)
Ich bin genau gerade in so einer Situation.eine respektlos Chefin, die mich einfach ignoriert und mich übertönt und mir ins Wort fällt oder Grenzen nicht anerkannt um die ich bereits gebeten habe. Das Problem, egal wo ich in dieser Firma hingesetzt würde ich kenne in jedem Zimmer solch eine Person. Ich würde nie wirklich den Raum erhalten, wo ich wirken kann. Ich habe schon vergewaligingsträume.. also ich komme mir von meinen Mitmenschen zu sehr vereinnahmt, vergewaltigt vor. Wo soll ich hin. Ich habe weder Ersparnisse um wegzugehen noch eine Idee überhaupt...meine freizeit ist das mühsame wieder aufbauen positiver Kraft...8 Tage Urlaub sind so gut gewesen und ich bin einen Tag in dem Büro und wieder leer. Ich habe keine Kraft um neue Hobbys anzufangen oder eben einen Weggang vorzubereiten. Ich stecke fest.
Inga Dalhoff (Dienstag, 11 Januar 2022 10:29)
Liebe Katja,
was du schreibst, macht mich sehr betroffen. Ich kenne eine solche Situation aus meiner Vergangenheit. Damals bin ich ins Ungewisse gesprungen, weil ich es nicht mehr aushielt. Auch ich hatte keine großen Ersparnisse und keine Ahnung, wie es für mich weitergehen konnte. (Und war nach meinem Sprung oft sehr knapp bei Kasse, aber frei! :-)) Doch wusste ich, dass das weitere Aushalten der Situation mich kaputt machen würde.
Ich weiß, dass das nicht die Lösung für alle ist. Wenn du ein anderes Sicherheitsbedürfnis hast, an einem anderen Punkt in deinem Leben stehst, als ich es damals tat, dann ist ein solcher Sprung ins Ungewisse vielleicht nicht deins. Doch es gibt immer einen Weg - DEINEN Weg.
Hast du schon einmal mit der Arbeitsagentur gesprochen, wie du aufgefangen würdest, wenn du gehst?
Oder mit deinem Arbeitgeber, ob es eine Abfindung gibt, wenn du gehst?
Hast du mit Freunden über deine Lage gesprochen? Würden sie dich unterstützen?
Gibt es Fixkosten, die du minimieren kannst, um einen Sprung ins Ungewisse leichter zu machen?
UND ganz wichtig: Hast du dir schon deinen Herzenstraum notiert? Schreib dir auf, was deine Stärken sind, was du richtig gut kannst, was du bewegen möchtest und wie du dich in deinem neuen Job fühlen möchtest. Was muss ein Arbeitgeber und was müssen Kolleginnen dir bieten, damit du deine wertvolle Energie einbringst? Was schenkst du einem Arbeitgeber und einem Team?
Wenn das alles klar ist, dann findet sich so viel leichter eine neue Stelle.
Die Energie unserer Herzensträume macht uns freier, schenkt uns Motivation, Klarheit und Kraft für ungewöhnliche Schritte und lässt uns Unstimmiges vorübergehend leichter ertragen. Denn wir sind ja schon auf dem Weg zu etwas Besserem. :-) Drum träume!
Wenn du dir Unterstützung wünschst, dann melde dich bitte gern bei mir.
Fühle dich lieb umarmt!
Alles Liebe, lebe deine zarte Stärke!
Deine Inga