Wenn Geräusche stressen, überreizen oder schmerzhaft sind - 8 Tipps
Hochsensible Menschen sind in der Regel deutlich geräuschempfindlicher als andere. Manche von uns leiden sogar an Hyperakusis (einer besonders ausgeprägten und mitunter schmerzhaften Geräuschüberempfindlichkeit) oder der Misophonie (einer Abneigung gegenüber bestimmten Geräuschen, wie etwa Kaugeräuschen). Andere verfügen über das besondere Talent der Hellhörigkeit.
Was es mit all diesen Phänomenen auf sich hat und was du zur Vermeidung von Überreizung tun kannst, liest du in diesem Artikel.
Als ich vor einigen Jahren in einer Fortbildung saß, fragte der Seminarleiter nach einer Weile, wer von uns Teilnehmern das Lüftungsgeräusch des Beamers hören würde. Da mir dieses Geräusch schon eine ganz Zeit lang unangenehm aufgefallen war, schnellte mein Finger in die Höhe. Zu meiner großen Überraschung blieben die Finger fast aller anderen Teilnehmer unten. Und von denjenigen, die das Geräusch wahrgenommen hatten, war ich die einzige, die es als nervig empfunden hatte. An diesem Fortbildungstag hörte ich das erste mal vom Phänomen des Hyperakusis.
Geräuschempfindlichkeit - Welche Geräusche ich mag und welche nicht
Mit Geräuschen war ich schon immer picky. Während mich Vogelgesang und harmonische Musik in Entzücken versetzen können, empfinde ich disharmonische (Dauer-) Geräusche moderner technischer Errungenschaften als nervenaufreibende Zumutung. Lüftungsgeräusche meines Rechners, Straßenlärm, das Fiepen des Dimmers unseres Deckenfluters, das Gepiepse des Marderschrecks am Auto, das Brausen der Heizung können mich je nach sonstiger nervlicher Belastung ganz schön herausfordern. Auch schrille, herausstechende Geräusche und Mitmenschen, die mit einer unangenehm durchdringenden Stimme ausgestattet sind, empfinde ich als überaus anstrengend.
Und wenn ich in einem lauten Café sitze, in dem sich andere so richtig wohl fühlen, bin ich nach 30 Minuten "durch". Erschöpft von dem Versuch, mich ganz auf meinen Gesprächspartner zu konzentrieren. Denn ich habe Schwierigkeiten damit, alle anderen Geräusche und Sinnesausdrücke weitestgehend auszublenden und mich auf mein Gegenüber zu fokussieren.
Hinzu kommt, dass ich Klänge mit Farben und Gefühlen verbinde (Synästhesie). Die meisten von Technik verursachten Geräusche hinterlassen in mir einen grauen und eher deprimierenden Farbmix, der mich zusätzlich zu den als unangenehm empfundenen Geräuschen nicht gerade für sie einnimmt. Und herausstechende Geräusche empfinde ich z.B. als spitz oder schmerzhaft scharf. Umso schöner ist für mich Vogelgesang, der einen herrlich bunten und herzberührenden Farbteppich in mir ausrollt.
Und auch, wenn ich nur von wundervollen, bunten und schönen Geräuschen umgeben bin, ist die Sehnsucht nach Stille, nach Erholung für meine Ohren immer da. Deshalb liebe ich nicht nur meine kuschelige, ruhige Wohnung, sondern auch den Schnee. Denn der überzieht nicht nur die winterliche Landschaft mit wunderschönem, unschuldig weißem "Glitzer", sondern schenkt mir auch eine überwältigende, entspannende "Geräuschdimmung". Dazu eine dicke, warme Mütze, energisch über die Ohren gezogen und fertig ist meine, endlich angenehme Welt der Geräusche.
All dieses intensive, "vielsinnige" Empfinden von Geräuschen hielt ich für normal. Ich kannte es nicht anders. Allerdings wunderte und wundere ich mich sehr darüber, wie andere Menschen mit all den Alltagsgeräuschen zurechtkommen, sogar in Großraumbüros konzentriert zu arbeiten scheinen. Dann erfuhr ich von meiner Hochsensibilität und fand darin eine Erklärung für meine Feinhörigkeit. Und bei oben erwähnter Fortbildung hörte ich das erste Mal von Hyperakusis und fand eine zweite Gruppe von Menschen, denen ich mich zugehörig fühlte.
Welche Geräusche magst du und welche bereiten dir Stress?
Schreib mir das gern in die Kommentare!
Lerne mehr über die Besonderheiten der Hochsensibilität!
Wo hört Hochsensibilität auf und wo fängt Hyperakusis oder Misophonie an?
Als Hyperakusis beschreibt man eine krankhafte Überempfindlichkeit gegenüber Schall, der von den meisten Mitmenschen noch nicht als unangenehm laut empfunden wird. Wird das Hören zusätzlich als schmerzhaft empfunden, bezeichnet man dies als Hyperakusis dolorosa.
Wer mit "Hass", Abneigung und Stress auf bestimmte Geräusche (oft Kau- oder Schluckgeräusche oder monotone wiederkehrende Geräusche) reagiert, gilt als von Misophonie betroffen.
Für Hyperakusis und Misophonie können ein hoher Stresslevel wie auch eine viral bedingte Nervenentzündung Ursache sein. Und an beiden Stellschrauben können wir drehen. Stress runter - Immunsystem & Nervengesundheit stärken. Wunderbar!
Als hochsensibel gelten Menschen, die über ihre verschiedenen Sinnesorgane mehr Reize wahrnehmen als die meisten ihrer Mitmenschen.
Mein Fazit: Diese Definitionen legen für mich den Rückschluss nahe, dass die meisten Hochsensiblen zur Feinhörigkeit, Hellhörigkeit oder unter psychischem Stress und körperlicher Erkrankung auch zum Hyperakusis oder zur Misophonie neigen. Dass aber längst nicht alle Hyperakusis- und Misophoniebetroffene auch hochsensibel sein müssen.
Dennoch fällt es mir schwer zu erkennen, wo Hochsensibilität aufhört und eine "krankhafte" Überempfindlichkeit gegenüber Schall beginnt. Wer mag dies auch festzulegen. Wichtiger erscheint mir die Erkenntnis, dass ein jeder Mensch ein sehr individuelles Hörvermögen hat, das sich zusätzlich unter Stress und körperlicher Erkrankung etwa des Nervensystems verändern kann. Dass die Einen Flöhe husten hören, während sich Andere ganz gelassen neben den Presslufthammer oder neben die Box in der Diskothek stellen können, ohne mit der Wimper zu zucken. Dass ein jeder selbst entscheiden sollte, wann das für ihn gesunde Maß an Geräusch erreicht ist, und ab wann Stress und Schmerz beginnen.
Und so scheint es auch im Verantwortungsbereich eines jeden einzelnen zu liegen, gut für seine Ohren zu sorgen und sich wenn möglich nur im stimmigen Maße Geräusch zuzumuten. Sehr willkommen wäre mir allerdings, wenn Arbeitsplätze, Autos, Motorräder und technische Geräte jeder Art geräuscharm gestaltet würden. Und einfach herrlich wäre es für mich, wenn ein jeder Mensch lernt, seine Stimme bei Bedarf etwas zu dimmen. ;-)
Die WHO weiß zu berichten, dass ein Zuviel an Geräusch zu Konzentrations- und Schlafstörungen (ab 25 Dezibel) führen und ab 85 Dezibel krank machen kann. Klar ist aber auch, dass das Zuviel an Geräusch trotz aller Versuche Normwerte zu finden, für jeden individuell definiert zu sein scheint und auch von der individuellen Tagesform und den sonstigen nervlichen Herausforderungen abhängt.
Hellhörigkeit - ein Geschenk für Hochsensible & ihre Liebsten
An der richtigen Stelle eingesetzt, ist mein feines Gehör natürlich ein großes Geschenk. Denn ich höre an der Stimme meiner Liebsten und meiner KlientInnen meist sofort, wenn es ihnen nicht gut geht. Ob ihre Äußerung wahrhaftig ist oder lediglich einer ihrer Überzeugungen nicht aber ihrem Herzen entspricht.
Und so erlebe ich sehr viele Hochsensible: Sie haben ein superfeines Gehör und die Fähigkeit äußerst intensiv und liebevoll zuzuhören. Der Seele und dem Herzen des Gegenübers zu lauschen und genau zu erkennen, wann Wahrhaftigkeit und Authentizität im Raum sind und wann nicht. Welch ein Geschenk!
Meine Tipps bei Geräuschempfindlichkeit - Erholung für deine Ohren
Nimm Ohrstöpsel oder einen vom Hörgeräteakustiker angepassten Gehörschutz
mit zum Tanzen oder zu lauten Konzerten.
Teste, ob dir Stille produzierende Kopfhörer taugen (noise cancelling Kopfhörer). Ich persönlich empfinde sie als unangenehm.
Überprüfe, ob deine Gehirn- oder Gehörnerven entzündet sind und deshalb zur schnellen Überreizung tendieren. Niedriggradige Entzündungen können medizinisch oft noch nicht festgestellt werden. Es lohnt sich aber immer die Nervengesundheit mithilfe heilsamer Kost zu unterstützen.
Versorge dich im öffentlichen Raum mit angenehmen Klängen (z.B. über schöne Musik per Kopfhörer).
Beschenke deine Ohren mit deinem Dank für ihr fleißiges Wirken.
Gönne dir täglich viel Stille und Naturerlebnisse.
Entspanne, denn unter Stress werden alle Sinnesorgane in "Alarmbereitschaft" und erhöhte Aktivität versetzt.
Meditiere (meine Anregungen dazu findest du hier).
Lebe deine zarte Stärke und erfreue dich an deinem feinen Gehör!
Alles Liebe, deine Inga
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Viktoria Sibylle (Montag, 24 Februar 2020 10:09)
Hallo.
Danke für den Artikel! Bin als Hochsensible und wohl Hörsensible gerade in großer Not und Schlafmangel wegen eines tieffrequenten Brummen einer Luftwärmepumpe in der Nachbarschaft. Tut soooo gut zu wissen dass es dir auch so geht. Hier in meinem Haus bin ich die Einzige die alles und dieses Brummen hört. Habe schon an mir gezweifelt. War schon beim Ohrenarzt - höre exzellent und kein Tinitus! Dein Artikel spricht mir aus der Seele! Habe jetzt viel zu tiefen Tönen gelesen. Muss wahrscheinlich sogar wegziehen!!! Aber habe einen Tipp von einem Akustiktechniker erhalten den ich hier teilen möchte:
Man muss eine 2. Gegenquelle von tieffrequenten Geräusch in den Raum nehmen z.B Zimmerbrunnenpumpe oder Aquariumpumpe. Damit kann ich mein Gehör überreden diesen 2. Ton zu hören und kann das Leiden das der andere Ton auslöst, lindern und schlafe ein!
GLG an alle Hochsensiblen
Inga Dalhoff (Montag, 24 Februar 2020 11:47)
Liebe Viktoria Sibylle,
herzlichen Dank für deinen Tipp! Der ist sicherlich wertvoll für viele Hochsensible oder Hyperakusis-Betroffene!
Alles Gute und entspannte Zeiten, deine Inga
Natascha Gloddeck (Sonntag, 17 April 2022 11:36)
Es tut gut deine Zeilen zu lesen...die synästhesie teile ich zwar nicht, aber dafür alles andere. Ich habe mich in diese ganzen Themen mit der Zeit auch eingelesen. Es ist faszinierend, wenn man von Fachärzten immer wieder mit auf dem Weg bekommt, dass man sich anpassen muss und dass Stille und Abschottung an gestressten Tagen völlig kontraproduktiv sind. Ich lebe damit seit ich denken kann. Ich brauche nicht nur gelegentliche auszeiten von den Geräuschen, sondern auch von Menschen, denn ich nehme jede unwucht im seelischen Gleichgewicht wahr und mein Gehirn fängt automatisch mit einer Analyse an.....was belastet.
Ich für meinen Teil helfe mit oft mit inear-kopfhörern im Alltag mit angenehmer Musik. Meeresrauschen zum einschlafen über eine Box, denn das übersteuert alles andere in der Wohnung bzw. Nachbarschaft.
Dein Artikel ist ganz großartig! Danke! Ich fühlte mich beim Lesen dadurch endlich mal völlig verstanden.
Liebste Grüße
Inga Dalhoff (Montag, 18 April 2022 15:43)
Liebe Natascha,
ich danke dir von Herzen für deine Nachricht und freue mich sehr, dass du dich in meinem Artikel wiedergefunden hast. Auch ich empfinde es immer wieder als wertvoll, auf Menschen zu treffen, die das Leben aus einem ähnlichen Blickwinkel betrachten und ähnliche Herausforderungen zu meistern haben. Das schenkt ein Gefühl von Verbundenheit und Verstandensein und schenkt mir oft eine Art Erlaubnis, so sein zu dürfen wie ich bin.
Ich wünsche dir, dass du ganz bei dir bleiben und voll und ganz deinem Weg folgen kannst, egal was Fachärzte sagen. :-)
Alles Liebe, deine Inga
Inga Alice (Samstag, 16 März 2024 19:50)
Ja, ganz genau so ist es auch hier bei mir. Eigentlich bin ich so wunderbar mit und bei mir...dennoch fast nur Geräusche (Düfte, Dreck, Augenunappetitliches... auch aber Geräusche wirklich sehr sehr) fühlen sich oft fast "krank" machend an und reißen mich regelrecht aus meinem Wohlbefinden, dass ich eigentlich nicht mehr an Äußeres binde. Danke für die Zeilen. Tut gut. ☀️
Inga Dalhoff (Montag, 18 März 2024 08:01)
Liebe Inga Alice,
oh, das hast du wundervoll formuliert! Düfte Dreck, Augenunappetitliches - Geräusche. Ich bin ganz bei dir, all diese Dinge beeinträchtigen auch mein Glück. Je nach Verfassung mal mehr mal weniger.
Ich wünsche dir viele störungsfreie Inseln der Ruhe, Harmonie und Schönheit.
Alles Liebe, deine Inga
Yvonne R. (Freitag, 26 April 2024 19:57)
Vielen Dank für Deine Zeilen. Es tut so unendlich gut, dass die Hochsensibilität endlich zum Thema wird. Ich leide seit meiner Kindheit an Misophonie und Hyperakkusis und erst seit ein paar Jahren hört man immer wieder von anderen Betroffenen. Ich war sogar schon bei einem Psychologen, der sich allerdings nicht damit auskannte und mir somit nur bedingt weiterhelfen konnte.
Ich lerne jetzt mit 38 Jahren, dass an mir nichts falsch ist, sondern nur anders ausgeprägt. Mein Sohn (6Jahre) ist auch hochsensibel - ich hoffe, dass ich ihm dieses Minderwertigkeitsgefühl ersparen kann, indem ich versuche ihm beizubringen mit seinen Fähigkeiten im Guten und im Schlechten umzugehen.
Liebe Grüße
Yvonne
Inga Dalhoff (Montag, 29 April 2024 08:32)
Liebe Yvonne,
so schön, dass dir die Erkenntnis, eine "andere" Wahrnehmung" zu haben, dienlich ist. Mich entspannt diese innere Haltung auch ungemein. Mögest du deinem Sohn eine konstruktive Sichtweise auf seine Spürigkeit schenken können.
Sollten dich Misophonie und Hyperakusis allerdings sehr belasten, kann ich sehr empfehlen, dein Nervensystem mithilfe heilsamer Ernährung zu unterstützen und den ein oder anderen emotionalen Auslöser zu identifizieren und zu befrieden. Manchmal kann ein traumatisches Erlebnis Ursache einer Misophonie sein. Manchmal einfach ein Zuviel an Stress und Druck. Ich unterstütze dich gern dabei.
Alles Liebe, deine Inga